Dienstag, 24. Februar 2015

Kleine Leseprobe (Die Schablone des Grauens)





                                                               Prolog
                                            
Er setzte sich vor den Stapel unbeschriebener Blätter und sowie sein Kopf manchmal ausgefegt und leer war, sammelten sich heute die Ideen nur so an.

Er liebte sie, denn sie waren nicht nur seine Zukunft, sie waren viel mehr. Sein Leben.

Gestern. Heute. Morgen.



Ebenso wie das Ticken einer alten Standuhr empfand er das Geräusch des hinabprasselnden Regens als wunderschön.
Er wusste nicht einmal warum, aber es erinnerte ihn einfach an seine Kindheit.
Manchmal hatte er einfach die Augen schließen müssen und sogleich er sich darauf konzentriert hatte, kamen ihm die ersten Sätze in den Sinn.
Oftmals konnte er gar nichts daran ändern.
Sie waren dann einfach da.
Nicht anders als die Regentropfen, welche auch irgendwann zu einem unbeeinflussbaren Zeitpunkt vom Himmel fielen.
Anfangs hatte Robert das Hämmern in seinem Kopf als Qual empfunden.
Jedes Wort, was auf ihn einschlug, war eine Last, die er nicht mehr vergessen durfte, ohne etwas Wichtiges zu verlieren. Irgendwann hatte er sich nicht nur damit abgefunden, nein, irgendwann hatte er es plötzlich geliebt. Nicht nur, weil er es schön fand, sondern mindestens genauso, weil er der Einzige war, der die Worte hörte. Es machte ihn zu etwas Besonderem.
Und genau das gefiel ihm.
Schon vor Jahren hatte er dann angefangen alles zu notieren und aus den einzelnen Sätzen wurden ganze Bücher.
Er musste heute nur noch das Papier riechen und schon befand er sich in der Situation wie vor drei Jahren, als er zum ersten Mal den Ausdruck seines vollständigen Manuskripts in den Händen hielt.
-Schlichtweg unglaublich.-
Nachdem sein zweiter Roman folgte und er auch dort das Kribbeln in den Fingerspitzen hatte, als er die Worte mit der Handfläche überstrich, reichte es ihm plötzlich nicht mehr aus.
Er wollte mehr erreichen, als ein zerstreuter Schriftsteller zu werden, der eines Tages einsam in seinem Zimmerchen hockte und in seiner losen Blättersammlung zu ersticken schien.
So wollte er niemals enden.
Die Menschen musste seine seinen Namen kennen.
Und dafür gab es nur eine Möglichkeit.
Seine Bücher mussten an die Öffentlichkeit kommen.
Er schlief mehrere Nächte darüber, grübelte, ob es gut war, wenn er jedem Einblick in seine Gefühlswelt gab.
Eines Morgens kam Robert zu dem Entschluss: Seine Figuren hatten es verdient, geliebt zu werden.
Und zwar nicht nur von ihrem Schaffer, sondern auch von der weiten Welt.
Der Gedanke berühmt zu sein, fand immer mehr Gefallen bei ihm und das Verlangen nach Zuspruch war irgendwann so unhaltbar wie ein Bär.

Als die Sonne am nächsten Morgen der Welt ein neuer Tag schenkte, erwachte Robert.
Kaum hatte er die Decke gefaltet und den Bademantel übergezogen, fiel ihm ein, dass er sich beeilen musste.
Heute hatte er besonders viel zu tun.
Angefangen beim Hausputz, den er stets am Ersten eines jeden Monats vornahm, aufgehört bei den Vorbereitungen des abendlichen Besuches.
Lange nicht hatte er Jemanden zu Gast gehabt.
Er erinnerte sich nur noch an Tante Olga, welche Hals über Kopf aus seinem Haus geflohen war, als die vielen weißen Mäuse sich in Form von lautem Fiepen angekündigt hatten.
Grundsätzlich empfand er Besuch nur bei "besonderen" Leuten als angenehm.
Er konnte es nicht leiden, wenn jemand viel auf ihn einredete.
Außerdem mochte er es auch nicht, wenn alte Menschen ihn noch küssen wollten.
Es machte ihn eher verrückt.

Während er die Fenster öffnete,  um die verbrauchte Luft hinauszulassen, dachte er daran, wie schnell die letzen Monate vergangen waren.
Es war bereits April und seine Erinnerung an das vergangene Silvester war noch klar.
Eher wirkte es auf ihm, als sei es gestern gewesen.
Der Tag heute war ein Unscheinbarer.
Die Wolken hingen noch müde am Himmel und die Sonne schien verblasst.
Von dem Regen des gestrigen Abends war nichts mehr zu sehen.
"Na, was soll´s. Werde ich mich lieber mal beeilen, ehe sie alle kommen werden". Rasch ging er die Treppe nach unten um sich einen Kaffee zu machen. -Heiß, mit zwei Stücken Zucker und einem Schuss Milch-.
Das Aroma der frisch gerösteten Kaffeebohne stieg ihm in die Nase und für einen kurzen Augenblick war der Stress vergessen.
Aber als wäre die Realität sein Gegner, holte sie ihn auch wieder zurück.
Er sah sich in seiner Küche um.
Die Töpfe standen neben der Spüle, warteten darauf gespült zu werden.
Der Staub auf dem Regal mit den Kochbüchern wuchs auch gar jeden Tag um einen neuen Millimeter und er hatte den Eindruck, mit dem Abstauben nicht mehr hinterherzukommen.
Mehrmals hatte er überlegt eine Putzfrau einzustellen, aber trotz der Entlastung im Haushalt missfiel ihm das.
Jemanden, der in seinen Sachen herumwühlte, konnte er nicht gebrauchen.
In seinen Gedanken versunken pustete er die Staubflocken herunter, trank dann den letzten Schluck Kaffee und stellte schließlich die leere Tasse neben das sich stapelnde Geschirr.
„Wenn du groß bist, mein Jung´, dann wirst du noch an meine Worte denken“, hatte seine Mutter gesagt, als sie ihm vor vielen Jahren das Hemd über den Kopf gezogen hatte und über den Fleck darauf geschimpft hatte.
„Die grausige Arbeit der Hausfrau ist undankbar und beklagenswert“.
Ihre Worte hallten in seinem Kopf.
Robert schüttelte sich.
Er schaute auf die Uhr. In sieben Stunden kamen seine Gäste und es sah bei ihm aus, als hätte Jemand alles auf den Kopf gestellt.
Also musste er sich ranhalten.
Im Wohnzimmer musste gekehrt und gewischt werden, in der Küche gespült und abgestaubt, im Badezimmer geputzt und in seinem kleinem Schlafzimmer mangelte es grundsätzlich an Ordnung und Sauberkeit.
Er nahm sich vor, sich erst einmal selber zu waschen und anzuziehen.
Als er dies getan hatte, sah er die Welt schon mit anderen Augen.
Das Ganze brauchte dann auch seine Zeit.
Knappe fünf Stunden später war die Tat verbracht und er lächelte freudig in sich hinein.
So konnte es sich sehen lassen.
Die restlichen Stunden wollte er für die Vorbereitung des Abendessens verwenden.
Kochen konnte er sehr gut und es bereitete ihm viel Vergnügen.
Er war an sich einfach ein Freigeist.
Mit Mathematik oder den Naturwissenschaften konnte er zu dem Verzweifeln des Vaters nichts anfangen.
Geschichten schreiben, Poesie, Zeichnen, Kochen oder Spielen auf dem Klavier. Das waren Dinge, die ihm Genuss brachten.
Geld brauchte er kaum.
Das Haus der früh verstorbenen Eltern, in dem er lebte,  war abbezahlt, Kleidung brauchte er kaum neue und für die restlichen Dinge konnte er mit seinen kleinen Einkünften ausreichend gut leben.
Nachdem er den geschälten Spargel auf den Herd gestellt und die Sauce Hollandaise zubereitet hatte, setze er die Kartoffeln auf.
Sein Lieblingsessen!
Während sein Essen kochte, machte er sich an den Tisch.
Zuerst legte er die Tischdecke auf.
Obwohl sie schon mehrfach gewaschen worden war, bildete er sich ein, seine Großmutter, welcher die Decke gehört hatte, riechen zu können.
Frischer Lavendel aus dem Garten.
Nacheinander stellte er die Teller ab, platzierte Messer und Gabel an Ort und Stelle.
Auch Gläser fehlten nicht auf seinem Tisch.
Ein paar Feinheiten wurden von ihm hinzugefügt und bald sah er aus wie einem nobelstem Restaurant.
Als die Uhr verriet, dass sie bald kommen würden, fiel ihm auf, dass der Tag schnell vergangen war.
Wartend setzte er sich auf seinen Sessel.
Er war kein normaler Mann seines Alters.
Die meisten starteten gerade erst ihre Karriere, gründeten eine Familie oder genossen einfach noch ihre letzte Zeit als junger Mensch.
Anfang 30, da konnte man noch soviel erleben, aber er brauchte das alles nicht.
Ihm genügte seine kleine Welt, in der sich befand.
Die Minuten des Wartens vergingen und als sein Gefühl ihm sagte, dass der verabredete Zeitpunkt erreicht war, schloss er die Augen.

Sie waren alle da.
Er konnte sie ganz klar sehen auch wenn sie für den Rest der Welt der Unsichtbarkeit ausgesetzt waren.
Dann setzte er  sich mit ihnen an einen Tisch.
Genau wie von ihm beschrieben sahen sie aus.
Klara hatte diese hellblonden Haare, diese engelsgleiche Art und diese himbeerroten Lippen.
Zuerst stellte er ihr Tristan vor, welcher mit seinen pechschwarzen Haaren und der dunklen Haut dem Ebenbild seiner Fantasie entsprach. Anschließend begrüßte er Caroline. Sie trug das karierte Hemd, was er sie in dem zweiten Teil seines Buches ständig hatte tragen lassen.
Er hatte sie darin einfach zu gerne gemocht.
Auch Pauline und ihr Freund David schenkten ihm mit ihrer Anwesenheit große Erleichterung.
Sicher war er sich nicht gewesen, ob sie erscheinen würden.
Schließlich hatte er David am Ende kurz in das Licht des Täters gestellt.
Ob sie ihm noch böse waren?
Er konnte doch nichts dafür.
Böse gemeint hatte er es nicht. Wie denn auch?
Wie könnte er nur einem von ihnen jemals etwas Hinterhältiges antun?
Er liebte sie doch.
Jeden von ihnen, auch Nils.
Eigentlich hatte er auch Nils einladen wollen, aber er wusste nicht, ob er reif genug war, ihn so nahe zu haben wie noch nie.
Das Ganze brauchte vielleicht lieber noch seine Zeit.
Irgendwann würden sie Beide vielleicht ohne Konflikte aufeinander treffen können, aber bevor dies geschehen würde, musste Robert sich erst im Klaren sein, was ihn und Nils wirklich verband.
War es nur das innigste Gefühl der Seelenverwandtschaft oder war es sogar doch noch mehr?

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